Ahrensdorf als Teil einer selbstständigen Herrschaft?
Brandenburg wurde als Markgrafschaft am 11. Juni 1157 gegründet. Mit größter Wahrscheinlichkeit wurde Ahrensdorf deutlich nach diesem Datum im Rahmen der Ostkolonisation gegründet. Und doch könnte Ahrensdorf die ersten Jahre seiner Existenz, außerhalb Brandenburgs gelegen haben, also nicht Bestandteil Brandenburgs gewesen sein. Wie das?
Auf der Suche nach Möglichkeiten (Urkunden, Bücher), die Thesen aus Teil 2 zu be- oder zu widerlegen, wandte ich mich an Dr. Lutz Partenheimer von der Universität Potsdam. Leider ein Einzelkämpfer in Sachen Forschung zur Entstehung der Mark Brandenburg und ihrer Frühgeschichte in unserem Lande. Schon traurig, daß hierfür in Brandenburg selbst, kein sonderliches Interesse zu herrschen scheint.
Dennoch fand Dr. Partenheimer die Zeit für einen Hinweis auf einen Text aus dem Jahrbuch für Regionalgeschichte JbRegG. – 16, 1. Teil / 1989, verfasst von Dr. Helmut Assing mit dem Titel „Zur Existenz frühdeutscher Adelsherrschaften in den späteren Kerngebieten der Mark Brandenburg“.
Dieser nur zwölfseitige Aufsatz ist für die hier behandelte Frage ein wahrer, kleiner Schatz, befaßt er sich doch fast ausschließlich mit den Geschicken der Familie derer von Gröben in unserer Region zur infrage kommenden Zeit.
Wie hier in Teil 2 schon vermutet, geht auch H. Assing von einer Gründung Ahrensdorfs durch die Familie derer von Groeben aus. Auch nimmt er die Namensgebung durch (einen) Arnold von (der) Groeben an. Präziser als hier bisher dargestellt äußert H. Assing sich aber zu den möglichen Umständen der Gründung Ahrensdorfs und Gröbens; und nicht nur dieser beiden Orte. Hier spielen auch noch Jütchendorf, Siethen und Fahlhorst eine Rolle. Dr. Helmut Assing vermutet diese Orte als Teil einer kurzlebigen, selbständigen Adelsherrschaft derer von Groeben.
Wie könnte es dazu gekommen sein? Der Stammsitz derer von Groeben lag im 12. Jahrhundert in der Nähe von Calbe (heute Sachsen-Anhalt). Noch heute gibt es 2 km nördlich der Stadt Calbe „die Gribhene“ als Flurnamen. Lange bevor das Gebiet wüst fiel, befand sich dort der Stammsitz derer von Groeben. Die Herrschaft lag somit im Einflußbereich des Erzbistums Magdeburg bzw. seines weltlichen Besitz´, dem Erzstift. Helmut Assing legt in seinem Aufsatz plausibel dar, daß es sich bei den von Groeben – anders als Ende der 80er Jahre allgemein angenommen und heute immer noch oft wiedergegeben – nicht um Ministeriale (salopp: abhängiger Adel), sondern um Edelfreie (salopp: freier Adel) gehandelt haben muß. Am einfachsten sei dies daran zu erkennen, daß die Herren von Groeben, so sie als Zeugen einer Beurkundung zugegen waren und genannt werden, dort wo eine Unterteilung erkennbar ist, immer in der Gruppe der voranstehenden Edelfreien vor den nachfolgenden Ministerialen aufgeführt werden bzw. sie andernfalls bei manchen Urkunden die einzigen ministerialen Zeugen inmitten nachweislicher Edelfreie gewesen sein müßten – eine sehr unwahrscheinliche Konstellation.
Warum ist das wichtig? Nun, Ministeriale hätten ihr Stammgebiet zur Erschließung einer neuen Herrschaft nur im Auftrag ihres Dienstherren und nicht aus freien Stücken verlassen können. In diesem Falle hätte auch nicht – wie aber geschehen – die gesamte Familie den Stammsitz verlassen. Natürlich hätten auch Edelfreie ihren Stammsitz halten und in den slawischen Gebieten eine neue Herrschaft gründen können. Das Herrschaftsgebiet derer von Gröben am Stammsitz war aber schlicht und ergreifend zu klein, um die nötigen Mannschaften auszuheben um beide Herrchaften zu sichern. Das Verlassen des Stammsitzes mitsamt der ganzen Familie wird auch durch nachfolgenden Punkt begründet.
Es kam durchaus vor, daß Edelfreie in eine stärkere Abhängigkeit zu den Herrschern bedeutenderer Territorien in der Umgebung gerieten und infolge einen sozialen Abstieg von den Edelfreien zu den Ministerialen erlebten. Den mit den von Groeben vermutlich verwandten Hohendorfs, die ebenfalls nahe Calbe (westlich) ihren Stammsitz hatten, ist dies durch das Erzbistum Magdeburg wiederfahren. H. Assing vermutet im Verlassen der angestammten Besitzungen durch die Familie derer von Groeben eine „Flucht nach vorn“, um diesem womöglich bevorstehenden Schiksal zu enteilen.
Entgegen der bis heute außerhalb der Fachwelt weit verbreiteteten allgemeinen Auffassung, war die Besiedelung der (späteren) Mark im Allgemeinen und des Teltow im Speziellen keine exklusive Angelegenheit der Askanier, ergo der Brandenburger Markgrafen. Sie fand mehr oder weniger in einem Spannungsfeld zwischen dem Hause der Askanier, dem Hause Wettin (Mark Meißen, später Sachsen) und dem Erzbistum Magdeburg statt, auch Pommern sollen es bis in den Teltow geschafft haben. Dieses Spannungsfeld ließ den benötigten Raum für eigenständige, aber, wie sich zeigen sollte, kurzlebige Adelsherrschaften an den Rändern der Interessensphären der Großakteure. So kam es laut Dr. Helmut Assing zur Gründung der eigenständigen Herrschaft derer von Groeben mit Gröben als Hauptort flankiert von Fahlhorst, Ahrensdorf, Siethen und Jütchendorf.
Nun, nach dieser etwas lang geratenen Einleitung zur eigentlichen Frage: Wann und durch wen wurde diese Herrschaft errichtet und wie lange bestand sie womöglich?
Zunächst geht H. Assing von einer annähernden Gleichzeitigkeit bzw. einer Gründung der fünf Orte der Herrschaft Groeben in dichter Folge aus. Hierfür vermutet H. Assing ein Datum nach 1190. Plausibilität erfährt diese Annahme dadurch, daß Heinrich von Gröben noch im Jahr 1190 im Kloster Gottesgnaden (bei Calbe, heute Ortsteil) um eine spätere Grabstätte für sich und seine Eltern bat (Arnold I, Heinrichs Vater hat 1190 wohl also noch gelebt). Diese schriftlich festgehaltene Anfrage dürfte auch erklären, warum Heinrichs Todesdatum heute mit „nach 1190“ angegeben wird; dies scheint die letzte (heute bekannte) urkundliche Erwähnung Heinrichs von der Groeben zu sein. Sollte es sich hierbei nicht um ein taktisches Mannöver vor der „Flucht“ gehandelt haben, darf man davon ausgehen, daß die von Groebens zumindest zu diesem Zeitpunkt im Jahre 1190 noch davon ausgingen, auch am Stammsitz beerdigt zu werden und nicht eine neue Herrschaft zu gründen.
H. Assing nimmt für die Gründung das Jahr 1200 an und vermutet Arnold II. als Akteur. Dies widerspricht zwar der in Teil 2 geäußertenVerutung, daß Arnold II als Sohn Heinrichs um das Jahr 1200 geboren wurde, allerdings ist dieses Geburtsannahme auch nirgendwo bekannt urkundlich untermauert, sondern ergibt sich aus Vermutungen und Rückschlüssen. Auch H. Assing nimmt zwischen Heinrich und Arnold II eine Vater-Sohn-Beziehung an, hält aber auch eine Bruderschaft für nicht auszuschließen. Allerdings würde diese die damals verbreite Abfolge in der Namensgebung – das Kind bekomt den Namen des Großvaters – stören. Denn auch Arnolds II Sohn hieß wieder Heinrich.
Nicht auszuschließen dürfte sein, daß vielleicht doch Arnold I die Herrschaft Gröben zwischen 1190 und 1200 gründete, also zwischen seinem 55. und 65. Lebensjahr.
Einschub; Der Zeitraum zwischen 1190 und 1200 kollidiert ein wenig mit der heutzutage in populären Veröffentlichungen zu lesenden Annahme, daß Gröben bereits 1170 als Kolonistendorf gegründet worden sei. Bisher scheint es aber auch so, daß es keine stichaltigen Belege für 1170 gibt und dieses Datum – ähnlich wie hier auch in Teil 1 ausgeführt – aus der Annahme der Gründung Gröbens als askanisches Dorf, also unter der Federführung der Brandenburger Markgrafen, in Verbindung mit deren nachweislich gestiegenen Kolonisationsaktivitäten ab 1170 und der Nuthenähe lediglich geschlußfolgert wird.
Für wann wäre nun das Ende der eigenständigen Herrschaft Gröbens anzusetzen? Ganz sicher war sie bereits 1232 beendet. In der in Teil 2 benannten Urkunde, die die Bekanntschaft Arnolds II von der Groeben mit Heinrich von Stegelitz belegen soll, erscheint Arnold II als Zeuge in der Gruppe der Ministerialen, also nicht mehr als Edelfreier. Nun könnte man meinen, daß Gröben und Ahrensdorf vielleicht ja doch von den von Groeben als Ministeriale gegründet worden sein könnten und somit keine freie Adelsherrschaft war.
Dem stehen zwei Aspekte entgegen. Zum einen der Umstand, daß es zwischen 1190 (die Grabanfrage im Kloster Gottesgnaden) und 1232 (der Urkunde zu Spandau im Teil 2) nicht eine einzige Urkunde zu geben scheint in welcher ein von Groeben als Zeuge in Erscheinung tritt. Als Edelfreier war man z.B. Zeuge, wenn beurkundeter Sachverhalt den eigenen Besitz oder die eigenen Interessen betraf oder auch nur tangierte (zum Beispiel Schenkungen von Land an ein Kloster auf das man selbst ein Auge geworfen hat). Die Bezeugung war also auch ein Weg, sich als Beurkundender von einem potentiellen Quertreiber eine gewisse Loyalität dem jeweiligen Urkundengegenstand gegenüber zu versichern. Für Ahrensdorf und Gröben gibt es eine solche Urkunde nicht, da es sich bei beiden wohl doch um Teile einer eigenständigen Herrschaft handelte, die also keiner höhergestellten Herrschaft unterstand und demnach nicht mit ihr interagierte. Für das noch nicht „gesicherte“ Slawenland zu der Zeit nicht die fernst liegende Annahme
Als Ministerialer war man nur dann Zeuge, wenn die Urkunde einen Sachverhalt innerhalb einer gefestigten Herrschaft, der des Dienstherren, regelte. Würden Ahrensdorf und Gröben eine ministeriale Gründung gewesen sein, so müßte sich für die Zeit zwischen 1190 und 1232 auch eine Urkunde finden lassen, die eine hochherschaftliche Regelung für diese beiden Dörfer festhält. Auch eine solche Urkunde gibt es nach heutigem Stand der Dinge nicht.
Hier ist es also so, daß eben gerade die Unauffindbarkeit und wahrscheinlich auch Nichtexistenz von Urkunden, in denen ein von Groeben Zeuge war, die Vermutung einer eigenständigen Adelsherrschaft unterstützt. Leider ist dies dann aber auch der Grund, warum man in keinem Archiv, in keinem Kloster, in keiner Bibliothek eine Urkunde, die das Gründungsdatum belegt, finden kann.
Der zweite Aspekt, der gegen eine ministeriale Gründung Gröbens und Ahrensdorfs sprechen kann, ist – nur kurzfristig verwirrend – die Tatsache, daß Arnold II als ministerialer Zeuge in besagter Urkunde 1232 erschien.
Wären Ahrensdorf und Gröben ministeriale Gründungen gewesen, so wäre die Gründerfamilie Ministeriale des Erzbistums/Erzstifts Magdeburg, denn von diesem wären sie dann entsandt worden. Als Ministerialer Magdeburgs wäre man aber nicht als Zeuge einer Urkunde der Askanier erschienen.
Es gibt bis 1232 auch keine Urkunde, die ein Abhängigkeitsverhältnis zu den Askaniern, den Markgrafen von Brandenburg belegen würde, bzw. ist keine solche Urkunde derzeit bekannt. Erst 1232 taucht Arnold II von der Groeben als ministerialer Zeuge in einer Urkunde der Brandenburger Markgrafen auf. Zusammengenommen läßt dies also wieder darauf schließen, daß es sich bei der Herrschaft Gröben sehr wohl um eine eigenständige Adelsherrschaft gehandelt haben kann, die kurz vor 1232 dem Druck der Askanier unterlag und ihrer Herrschaft unterworfen wurde, was für die Familie derer von Groeben zusätzlich mit dem Verlust des Status´als Edelfreie einherging und sie zu Ministerialen herabstufte. Was man gegenüber dem Erzbistum Magdeburg noch erfolgreich vermied, wiederfuhr der Familie nun durch die Brandenburger Markgrafen Johann I und Otto III.
Im Ende einer eigenständigen Adelsherschaft Gröbens, könnte womöglich auch der Erklärungsansatz zu finden sein, wie Ahrensdorf an Heinrich von Stegelitz gekommen sein könnte. Hierzu vielleicht mal ein Teil 4 oder 5 oder 6…..
Wohlwollend zusammengefasster Stand der Dinge aus diesem Teil und ohne eigentlich anzubringenden Konjuktiv: Ahrensdorf wurde irgendwann zwischen 1190 bis um 1200 von Arnold I oder II gegründet. Ahrendorf war gemeinsam mit Jütchendorf, Siethen, Fahlhorst und dem Hauptort Gröben eine eigenständige Herrschaft, die gegen 1230 ihr Ende gefunden hat und seit dem Teil der Mark Brandenburg ist.
Mit einem Augenzwinkern: Die Annahme einer eigenständigen Herrschaft Groeben würde uns wieder, die eigentlich unstatthafte, weil ohne urkundliche Bestätigung wahrgenommene Möglichkeit geben, 2020 schon 800 oder gar 810 Jahre Ahrensdorf zu feiern. Das würde zwar jedem Historiker die Haare zu Berge stehen lassen, aber wir können es ja heimlich und inoffiziell machen, vielleicht als großes Gemeinschaftsfest mit Gröben, Siethen, Jütchendorf und Fahlhorst 😉
P.S. Auch die Möglichkeit, daß einige Jahre nach Gründung Burg Beuthen und seine Besitzungen in die Adelsherrschaft Gröben integriert worden sein könnte wird in dem diesen Teil zugrunde liegeneden Aufsatz angedeutet und kurz begründet…. vielleicht mal in Teil 7, oder so… 😉
P.P.S Gut möglich, daß auch der Vorläufer Ludwigsfeldes, Damsdorf zu einer solchen Herrschaft gehört haben könnte. Als H. Assing den Aufsatz 1989 schrieb, war zwar die Existenz Damsdorf gewiss bekannt, nicht aber die Erkenntnisse, die erst durch die Grabungen zwischen 1997 und 2003 gewonnen worden sind. So zum Beispiel das Entstehungsjahr der Damsdorfer Kirche um 1180. Was allerdings wieder der These einer Gründung der Herrschaft Gröben nach 1190 widersprechen könnte. Es bleibt spannend…..